Backpacking

Man muss reisen, um zu lernen

Zu reisen, um neue Orte zu entdecken, ist für uns eines der schönsten und aufregendsten Dinge im Leben.

Armin & Miriam

Geschrieben von Armin & Miriam

22. Mai 2020 • 12 Min. Lesezeit

Man muss reisen, um zu lernen

Viel hat sich getan seit wir wieder in Österreich sind. Das Coronavirus prägt noch immer unseren Alltag. Armin hat mittlerweile wieder zu arbeiten begonnen, wie so viele, im Home-Office. Ein neues Rennrad wurde gekauft, nachdem das alte letztes Jahr bei einem Unfall in Italien kaputt ging. Miriam bewirbt sich gerade für das nächste Schuljahr als Lehrerin. Wir haben eine wunderschöne Wohnung in Wien gefunden, die wir gerade Schritt für Schritt einrichten. Wir hatten aber trotzdem genug Zeit, unsere Reise Revue passieren zu lassen. In diesem Blogbeitrag möchten wir unsere Gedanken teilen und Fragen beantworten, die uns immer wieder gestellt werden. Einige Antworten formulieren wir gemeinsam, andere wiederum einzeln.

Wie kam es zu dieser Reise?

Armin

Für mich ist das Reisen eines der besten Dinge, die man mit seiner Lebenszeit anstellen kann. Jedes Jahr packt mich das Fernweh und ich freue mich wie wahnsinnig auf den Sommerurlaub, der bei uns beiden üblicherweise drei Wochen dauert und im September stattfindet. Neue Orte und Menschen kennenzulernen gehört für mich einfach zum Leben dazu. Ich bin mir sicher, dass ich Reisen nie bereuen werde, selbst wenn es nicht immer einfach ist. Normalerweise reisen wir innerhalb Europas mit dem Auto oder Flugzeug. Unser dreiwöchiger Backpacking-Urlaub in Thailand 2015 war so großartig, dass ich unbedingt bald wieder weiter weg fliegen wollte und zwar für mehrere Monate. Irgendwann 2018, so genau weiß ich das gar nicht mehr, ist der Gedanke gewachsen, Lateinamerika mit dem Rucksack zu bereisen.

Miriam

Reisen bedeutet für mich den eigenen Horizont zu erweitern. Ich habe ehrlich gesagt meine Probleme mit Formulierungen wie „Selbstfindungsreise“. Ich denke nämlich nicht, dass es unbedingt notwendig ist, eine Reise zu unternehmen, um sich selbst zu finden, um herauszufinden was man will, um den Sinn des Lebens zu finden oder zu finden, nach was auch immer man sucht. All das kann man bestimmt auch in den eigenen vier Wänden finden. Was das Reisen aber grundlegend vom Alltag unterscheidet, ist die Zeit, die man sich nehmen kann bzw. nimmt. Wahrscheinlich könnte man sich diese Zeit auch zu Hause nehmen, tut es aber leider viel zu selten. Vielleicht bringt aber die Corona-Krise bei einigen Menschen neue Ideen und Erkenntnisse. Was das Reisen viel mehr bietet, als grundlegende Fragen des Lebens zu beantworten, ist für mich, wie gesagt, die Erweiterung des eigenen Horizonts. Neues zu erfahren über andere Kulturen, andere politische und wirtschaftliche Systeme, andere Landschaften, andere Lebensweisen, in den Tag hineinzuleben, ohne zu wissen, wo es als nächstes hingehen wird, wie genau man dort hinkommt und wie es dort sein wird, sich immer wieder auf den Weg zu machen, um neue Orte zu entdecken – all das lässt einen offener gegenüber Neuem werden und nimmt einem die Angst vor Veränderungen.

Wo hat es euch am besten gefallen?

Armin

Das ist eine Frage, die uns wirklich oft gestellt wird und trotzdem sehr schwer zu beantworten ist. Mir hat es in jedem einzelnen der sechs Länder gut gefallen und wir haben überall viel erlebt. Deswegen muss ich das spezifischer beantworten.

Beginnen wir mit dem Einfachen: Das Essen war natürlich in Mexiko am besten! Tortillas in den unterschiedlichsten Formen (Tacos, Burritos, Quesadillas, etc.), scharf angebratenes Gemüse und Fleisch, viel Avocado und vor allem die Salsas machen mexikanisches Essen für mich einfach unschlagbar. In Mexiko wurde ich von keinem Restaurant oder Streetfood-Laden enttäuscht. Leider konnte dann kaum ein Ort in Mittel- und Südamerika damit mithalten. Aber in Cusco gingen wir vor dem Lockdown noch ein paar mal sehr gut essen. Das war mein kulinarisches Highlight in Südamerika.

Landschaftlich war der Teil von Mexiko, den wir gesehen haben (Yucatán) eher ein wenig langweilig und vor allem sehr flach. Natürlich gibt es aber wunderschöne Karibik-Strände und Cenoten, die einzigartig auf der Welt sind. Costa Rica ist ein winziges Land, das vielfältiger nicht sein könnte. Man findet dort Strände an der Karibik und am Pazifik, Nebelwälder und eine unglaubliche Tier- und Pflanzenwelt. Panama hat mich am meisten überrascht. Boquete war super zum Wandern und die San Blas Inseln gehören wohl zu den schönsten Inselgruppen überhaupt. Wenn ich mir nur ein Lieblingsland aussuchen müsste, wär es Kolumbien. Wir haben die meiste Zeit unserer Reise in Kolumbien verbracht (5 Wochen) und ich kann sagen: das Land ist der Wahnsinn. Ich war richtig wehmütig als wir ausgereist sind. Wir waren dort viel wandern, haben eine Spanischschule besucht, sind im Meer getaucht und haben so viele tolle Menschen kennengelernt. Ecuador war besonders, nicht zuletzt weil uns zwei Freunde aus Österreich besucht haben und wir gemeinsam viele Abenteuer erlebt haben. Das was wir von Peru gesehen haben, hat mich überzeugt, unbedingt in dieses Land zurückzukehren zu wollen.

Miriam

Diese Frage ist wirklich schwer zu beantworten, denn jedes Land hat seinen eigenen Charme.

Auch für mich war das Essen in Mexiko eindeutig am Besten. Man konnte eigentlich überall hingehen und es war einfach lecker. Vor allem die Gewürze und Salsas machten das Essen besonders schmackhaft. Danach hat vieles irgendwie ein wenig langweilig geschmeckt. In Peru hatten wir leider zu wenig Zeit, um die Restaurants zu erkunden. Viele Reisende sprachen nämlich von Peru als der kulinarischen Hochburg Lateinamerikas. Die Küche scheint aber sehr vielfältig zu sein, mit Einflüssen aus der ganzen Welt.

Die Natur hat mich in jedem Land beeindruckt. Mexiko mit atemberaubenden Stränden und Cenoten, Costa Rica mit unglaublicher Vielfalt, Panama mit den San Blas Inseln, Kolumbien mit Urwäldern und Stränden, Ecuador mit Vulkanen und Peru mit den Anden. Wir hatten das Glück viele Tiere sehen zu dürfen, die wir noch nie zuvor in freier Wildbahn gesehen hatten: verschiedene Affenarten, Faultiere, Waschbären, Spinnen, Schlangen, Krokodile, Papageien, Delphine, Seepferdchen, Seesterne, Kugelfische, ...

Müsste ich mich für ein Land entscheiden, ich könnte es einfach nicht. Vor Kolumbien und Mexiko hatte ich aufgrund diverser Geschichten ziemlichen Respekt und war nicht sicher, ob ich dort hin möchte. Jetzt bin ich überglücklich, dass wir dort waren, denn es war einfach traumhaft. Costa Rica ist genauso schön, wie man es immer hört, wenn nicht sogar schöner. Es ist aber auch genauso teuer, wenn nicht sogar teurer. Der Segeltrip von Panama nach Kolumbien war auch nicht billig, aber definitiv jeden einzelnen Dollar wert. Mit dem Essen in Ecuador hatten wir leider nicht so großes Glück, die Landschaft und die Outdoor-Angebote machten das aber wieder wett. Unmöglich mich hier festzulegen.

Welche Menschen habt ihr kennengelernt?

Während unserer Reise sind wir vielen verschiedenen Menschen begegnet. Hier alle einzeln zu nennen ist quasi unmöglich, aber einige möchten wir doch erwähnen.

Die Schweizer sind wohl ein Volk, das sehr gerne reist. Dementsprechend oft sind wir auch Schweizern begegnet. Da gab es dann einige, mit denen wir mehr unternommen haben. Seraina & ihr Bruder Andres, Chantal & Raphael, Linda & Tim und Michaela haben uns jeweils ein Stück auf unserem Weg begleitet. Auch Lina & Sina und Moritz aus Deutschland, Pedraig & Mariah und Anna & James aus Australien, Ben aus England, Diego aus Guatemala und Stina aus Dänemark dürfen in dieser Liste nicht fehlen. Besonders waren für uns auch die Begegnungen mit unserem Kapitän Niko und der Köchin Flor aus Argentinien auf dem Segelschiff von Panama nach Kolumbien, die uns fünf traumhafte Tage beschert haben und mit neuen Freunden, die sich in Tulum den Traum vom Haus im Dschungel erfüllt haben, wo wir sie besuchten.

Und zu guter letzt müssen unsere Schicksalsgenossen in Cusco erwähnt werden, mit denen wir wohl am meisten Zeit verbrachten. Zwei Wochen auf engstem Raum zusammenzuleben schweißt natürlich zusammen. Hier hatten wir das große Glück mit ganz wundervollen Menschen unsere Quarantäne zu verbringen. Nämlich mit Taria & Nils und Thomas aus Deutschland, Britney & Adam aus Australien, Louise & Peter aus England, Corinna aus der Schweiz, Sam & JP aus den USA, Grace aus Kanada und Joel, Cesar, Luis und Rusbel aus Peru. Wir sind zu einer kleinen Familie zusammengewachsen, was den Abschied trotz Krise schwer gemacht hat.

Img Niko & Flor

Img Diego & Michaela

Img Lina & Sina, Linda & Tim

Img von links hinten: Corinna, Sam, Taria, Britt, Louise, Thomas, Rusbel, JP, Nils, Adam, Peter, Cesar, Armin, Joel, Miriam

Habt ihr euch mal unsicher gefühlt?

Ja, vor der Reise, weil wir einfach viel zu viele Horrorgeschichten gehört haben. Während der Reise nicht ein einziges Mal. Die Menschen in Lateinamerika haben uns alle herzlich aufgenommen und waren einfach wunderbar. Natürlich, manche Gegenden sollte man eher meiden und grundsätzlich sind einige Regeln zu beachten, aber wenn man auf sein Bauchgefühl hört und mit Hausverstand und offenen Ohren und Augen reist, dann wird man im Normalfall kein Problem haben. Pech kann man natürlich immer haben, aber das gilt in Österreich genauso.

“If you think adventure is dangerous, try routine; it is lethal.”

Paulo Coelho

Wie gut könnt ihr jetzt Spanisch und kommt man auch mit Englisch durch?

Ich denke wir sind nun beide in der Lage Spanisch halbwegs zu verstehen und selbst einfache Sätze zu bilden. Wir haben vor der Reise begonnen anhand von Apps die Sprache zu erlernen, was aber wirklich geholfen hat, war die Woche in der Sprachschule in San Carlos und natürlich das Sprechen mit Einheimischen.

Wir haben eine Route gewählt, die viele andere Touristen auch wählen. Dementsprechend konnten viele der Einheimischen zumindest ein wenig Englisch sprechen. Allerdings gilt das eher für Mexiko, Costa Rica und Panama. In Kolumbien wurde es schon schwieriger ohne Spanisch auszukommen, in Ecuador quasi unmöglich. Hier konnten viele Taxifahrer, Kellner und auch Rezeptionisten so gut wie kein Englisch mehr. Um so besser für uns, denn nur wenn man gezwungen ist Spanisch zu sprechen, lernt man es auch wirklich.

Was konntet ihr auf der Reise neben der Sprache noch lernen?

Dass Europa sehr klein ist. Spaß beiseite, aber wir haben auf unserer Reise wirklich sehr viel Zeit in Langstreckenbussen verbracht und haben trotzdem in viereinhalb Monaten nur einen kleinen Teil von Nord-, Mittel- und Südamerika gesehen. Das nimmt einem ein wenig die Angst vor großen Distanzen. Wir können uns gut vorstellen, sobald es wieder möglich ist, mit einem Bus z.B. nach Paris zu reisen.

Nicht nur diese Angst wurde uns genommen. Wir haben vor allem in Ecuador unsere Höhenangst so gut es ging bezwungen. Beim Ziplinen durch die Baumkronen merkt man, dass die Welt aus der Vogelperspektive wunderschön ist. Der „Spaziergang“ über eine Schlucht auf einer sogenannten Tibetischen Brücke war da ein wirklich harter Brocken.

Außerdem hat man in Lateinamerika genug Zeit sich in Geduld zu üben. Eine kolumbianische Rechnung geht ungefähr so: Wenn dir jemand sagt, dass eine Sache 4 Stunden dauert, solltest du mit mindestens 6 Stunden rechnen. Man darf also nicht alles so genau nehmen. Generell könnte man den Alltag in diesen Ländern als „organisiertes Chaos“ bezeichnen. Uns beiden liegt diese Art zu leben aber sowieso, deswegen sind wir schnell damit klar gekommen und konnten auf unserer Reise gut in den Tag hineinleben.

Nicht nur aufgrund der Sprachbarriere ist es nicht immer ganz leicht, auf neue Leute zuzugehen. Eine solche Reise bedeutet automatisch, dass man mit vielen Leuten aus der ganzen Welt kommuniziert, sei es in Hostels mit anderen Reisenden oder auf der Straße mit Einheimischen. Wir haben also auf jeden Fall gelernt, ein wenig offener und extrovertierter zu sein.

Und nicht zuletzt haben wir gelernt, sehr vorsichtig mit Vorurteilen umzugehen. In der Wahrnehmung zu vieler Menschen in Österreich sind Mexiko, Kolumbien, etc. furchtbar arme Länder, in denen quasi jeder Drogen nimmt und alle Behörden korrupt sind. Das hat sicher seine Gründe und ist nicht absolut falsch. Wir haben jedoch gesehen, dass wir alle nur Menschen sind und das beste aus unserem Leben machen wollen. Der Unterschied ist, dass die wenigsten so privilegiert sind, in Mitteleuropa geboren worden zu sein und nicht alles tun zu müssen, um Essen auf dem Tisch zu haben.

Wieviel Geld habt ihr gebraucht?

Wir haben uns bemüht, auf der Reise ein Mittelmaß an Sparen und Gönnen zu finden. Das heißt konkret, dass wir oftmals in Schlafsälen in manchmal auch ein wenig heruntergekommenen Hostels geschlafen haben, dass wir immer wieder selbst gekocht haben, dass wir kaum etwas Materielles gekauft haben, dass wir nicht jede Aktivität gemacht haben, die verfügbar gewesen wäre, sondern eben bewusst gewählt haben, dass wir hauptsächlich mit Bussen gereist und selten geflogen oder mit Taxis gefahren sind. Trotzdem haben wir uns aber auch einiges gegönnt. Wir wollten keinesfalls eine solche Reise unternehmen und im Nachhinein bereuen, dieses und jenes nicht erlebt oder gesehen zu haben.

Miriam hat Buch geführt und jede Ausgabe eingeschrieben. Wir können also recht genaue Angaben darüber machen, wieviel Geld man auf einer Reise durch Lateinamerika braucht, wenn man ein wenig verzichtet, aber eben nicht auf alles. Bevor wir nun die Zahlen preisgeben noch kurz zur Erklärung: Es handelt sich dabei um den Durchschnitt der Ausgaben pro Person, pro Tag in Relation zu der Zeit, die wir im jeweiligen Land verbracht haben. Flüge und Versicherungen sind dabei nicht enthalten. Enthalten sind aber Unterkünfte, Aktivitäten, Lebensmittel, Einkäufe und Busfahrten.

Zu den Zahlen: In Mexiko und Kolumbien brauchten wir durchschnittlich ca. 35 Euro pro Person und Tag, in Costa Rica, Ecuador und Panama waren es ca. 40 Euro, wobei wir die Segeltour über die San Blas Inseln (die ja eigentlich zu Panama gehören) extra gerechnet haben. Für 5 Tage Segeltour mit Verpflegung kommt man hier auf ca. 100 Euro pro Person und Tag – wie gesagt nicht billig, aber absolut empfehlenswert.

Würdet ihr so eine Reise nochmal machen? Was hattet ihr noch vor?

Unbedingt! Wir können es auch nur jedem empfehlen. Es war wirklich ein ganz besonderes Erlebnis.

Wir hatten vor, uns noch Machu Picchu in Peru, den Titicacasee und die Salzwüste in Bolivien anzusehen und in Patagonien (Chile, Argentinien) zu wandern. Von Buenos Aires wollten wir dann nach Hause fliegen. Aber es gibt in Lateinamerika noch so viel anderes zu entdecken. Wir müssen also sowieso wieder zurückkommen.

Was würdet ihr anders machen?

Eigentlich gar nichts. Wir bereuen es ein wenig, dass wir Guatemala, Honduras und Nicaragua ausgelassen haben und direkt von Mexiko nach Costa Rica geflogen sind. Aber wir hatten eben nicht einmal ein halbes Jahr Zeit und wollten uns nicht all zu sehr durch die Länder hetzen. Außerdem haben wir dafür viele andere tolle Orte gesehen und wie gesagt, wir werden hoffentlich bald zurückkehren.