ReisetagebuchPeru
Coronavirus in Peru – wie für uns alles begann
Der Virus war natürlich nicht neu für uns, aber er stellte auch keine Bedrohung für uns dar. Trotzdem hinderte er uns lange daran heimzukehren.
Wir verbrachten wunderschöne, abenteuerliche zwei Wochen mit unseren beiden Freunden in Ecuador. Zuletzt fuhren wir mit einem Bus nach Guayaquil, um von da aus nach Peru zu fliegen. Weil wir unbedingt noch zum Machu Picchu und Titicaca-See wollten, beschlossen wir, nicht nach Lima, sondern gleich weiter nach Cusco zu fliegen.
Cusco
Wir hatten ein schönes Hostelzimmer für uns alleine, da wir beide noch immer mit unseren Mägen zu kämpfen hatten. Ecuador war, was das betrifft, leider nicht sehr gut zu uns, denn eigentlich hatten wir davor nie Probleme. Weil Armin sich generell etwas schwach fühlte, beschlossen wir es in Cusco ruhig anzugehen und etwas länger hierzubleiben. Wir unternahmen aber noch einen Ausflug auf den Rainbow Mountain, bevor es endlich zum Machu Picchu gehen sollte.
Lost in Paradise
Dieses Mal möchte ich den Beitrag wie ein Tagebuch mit kurzen Einträgen verfassen, damit man als LeserIn einen Überblick über die Ereignisse in Cusco bekommt.
12. März
Wir erfahren von unseren Freunden, die kurz zuvor noch bei uns waren, dass in Österreich nun alles anders ist als noch vor zwei Wochen: die Schulen sollen geschlossen werden, öffentliche Veranstaltungen werden abgesagt, viele beginnen mit Hamsterkäufen.
13. März
Durch Zufall erfahren wir am Abend von einer geplanten Flugsperre von und nach Europa. Ab Montag soll Peru von Europa abgeschottet sein. Unser Hostelbesitzer bittet uns eine Bewertung zu schreiben, weil nun nicht mehr viele Gäste kommen würden.
14. März
Wir schreiben an die österreichischen Botschaften in Lima und Argentinien (das geplante Ende unserer Reise), um herauszufinden wie wir nun vorgehen sollten. Wir wollen fast noch einen Zug nach Machu Picchu buchen, erfahren dann aber zufällig, dass der Präsident am Abend eine Rede halten wird, bei der er möglicherweise bekanntgeben wird, dass alle Sehenswürdigkeiten geschlossen werden. Ich werde schon unglaublich nervös und auch Armin scheint der Ernst der Lage allmählich bewusst zu werden.
15. März
Wir bekommen eine Rückmeldung der Botschaft in Argentinien, dass sie uns empfehlen, so schnell wie möglich den Heimweg anzutreten, da sich die weiteren Entwicklungen nicht abschätzen ließen. Wir buchen nun panisch einen Flug nach Rio, über Lissabon nach Wien: zu diesem Zeitpunkt ein Flug mit normalen Preisen und von Grenzschließungen in die Nachbarländer war keine Rede. Leider funktioniert die Zahlung nicht, vermutlich wegen einer Überlastung des Servers.
16. März
Wir gehen zum deutsch-österreichischen Konsulat in Cusco, es kommen immer mehr deutsche Touristen. Wir klopfen und läuten beim Konsulat, uns wird zuerst gesagt es sei geschlossen und wir sollen anrufen. Wir können sie dann aber überreden kurz herauszukommen und uns erste Informationen zu geben. Wir erfahren, dass wir wohl mit mindestens zwei Wochen rechnen müssten, da der komplette Verkehr im In- und Ausland eingestellt wurde. Eine WhatsApp-Gruppe wird gemeinsam mit der Konsulin ins Leben gerufen. Wir beschließen uns mit einem deutschen Paar, das wir beim Konsulat kennengelernt haben, ein Airbnb zu teilen, denn unser Hotel ist zu teuer und ihres hat keine Küche. Die beiden reden aber nochmal mit dem Manager ihres Hotels und dieser stellt uns jeweils ein Hotelzimmer bereit. Es sollen alle Gäste dort hingebracht und eine Küche aufgebaut werden. Um umgerechnet je 5 Euro können wir zu Mittag und Abend essen.
Unser Konsulat in Cusco
17. März
Meine Eltern rufen beim Außenministerium in Österreich an. Diese raten uns selbst eine Möglichkeit zu finden nach Hause zu kommen. Das ist mittlerweile aber unmöglich und die Konsulin rät davon auch ab, da es eigentlich auch illegal sei. Ab heute werden wir uns noch in unzählige Listen eintragen. Die Suche nach dem Formular A38 beginnt.
Im Hotel wird derweil die versprochene Küche aufgebaut, wir lernen unsere MitbewohnerInnen und die MitarbeiterInnen kennen. Unsere MitbewohnerInnen: 3 aus Deutschland, eine aus der Schweiz, 2 aus Frankreich, 2 aus Spanien, 2 aus England, 6 aus Amerika, eine aus Australien, 2 aus Kanada und 2 aus Südkorea. Später findet ein Wechsel statt: 3 Amerikaner ziehen um, 2 Mexikaner und 2 Brasilianer ein.
18. März
Wir entwickeln gemeinsam einen Tagesplan, den wir bis zum Schluss fast jeden Tag einhalten: 08:00 Workout, 11:30 Spanischunterricht mit unserem Manager, 13:00 Mittagessen, Nachmittags Freizeit und manchmal Yoga, 18:00 Abendessen und danach Gesellschaftsspiele.
Ein beunruhigender Zeitungsartikel taucht in einer peruanischen Zeitung auf. In diesem ist ein Bild von einer Gruppe Touristen zu sehen, die eine Party in ihrem Hostel gefeiert haben sollen. Die Polizei hat jede Person, die über einem gewissen Alkoholpegel im Atem hatte, festgenommen. Am Ende des Berichts werden die Vollnamen inklusive Alter aller Festgenommenen aufgelistet.
Tägliches Workout
Spanisch-Unterricht mit Joel
19. März
Die meisten Listen richten sich leider nur an deutsche Staatsbürger, auch auf Nachfrage bei der Konsulin bekommen wir erstmal keine Rückmeldung. Die beiden Mexikaner verlassen das Hotel.
20. März
Die Konsulin meldet sich und bestätigt, dass wir mit der BRD mitgenommen werden. Wir hören in immer mehr Hostels von Arztbesuchen und Polizeikontrollen. Die beiden Brasilianer verlassen das Hotel.
21. März
Wir hören, dass der peruanische Präsident den Flughafen nun auch für Repartiierungsflüge sperren will.
22. März
Außenminister Schallenberg hält gemeinsam mit dem Vositzenden der Austrian Airlines eine Pressekonferenz, bei der, zumindest aus unserer Sicht, ein falsches Licht auf die Lage der Dinge gelenkt wird. Es wird von Touristen gesprochen, die lieber noch Trekking-Touren unternehmen oder am Strand liegen, als heimzufahren. Man solle die Lage ernst nehmen, das Außenministerium sei kein Reiseunternehmen. Natürlich können wir nicht ausschließen, dass es diese Touristen gibt, aber alle mit denen wir Kontakt haben wollen unbedingt nach Hause. Es gäbe auch einen Flieger von Lima nach Wien, aber leider wurde nichts organisiert, das einem die Reise von Cusco nach Lima ermöglichen würde. Auf Nachfrage bei der Botschaft, ob wir denn irgendwie nach Lima kommen könnten, wurde uns auch nur gesagt, dass das im Moment nicht möglich sei. Wir wollen unsere Situation schildern und schreiben eine E-Mail an den Standard. Eine Außenpolitik-Journalistin vom Kurier meldet sich dann plötzlich bei uns und fragt, ob wir einen kleinen Artikel verfassen wollen. Kurz darauf fragt auch der ORF nach einem kurzen Videointerview, weil Armin einen Twitterbeitrag von Martin Thür kommentiert, in dem Touristen im Zusammenhang mit Schallenbergs Aussagen als dumm dargestellt werden.
23. März
Wir hören, dass ein Hotel aufgrund einer Razzia schließen muss. In der Nacht stirbt der erste Mensch aufgrund des Coronavirus in Cusco, ein Mexikaner, der im Pariwana-Hostel auf die Rückkehr in sein Heimatland wartete.
24. März
Das Pariwana-Hostel wird komplett im Quarantäne gesetzt. Die Bewohner müssen bis auf eine Stunde am Tag in ihren Zimmern bleiben und haben Mundschutzpflicht.
Ein Bewohner unseres Hotels ruft eine Ärztin, er muss auf Corona getestet werden.
25. März
Die Straßen rund um das Pariwana-Hostel werden gesperrt und mit Desinfektionsmittel besprüht. Wir haben ein Teammeating mit allen Bewohnern und dem Manager. Er bittet uns, nicht mehr auf die Straße zu gehen. Unsere Einkäufe schreiben wir ab jetzt auf Listen und bezahlen dann in bar. Zum Glück haben wir einen großen Innenhof, in dem man auch mal Sonne und frische Luft tanken kann.
26. März
Die Südkoreaner verlassen das Hotel. Wir werden nervös wegen dem Virusverdacht in unserem Hotel, denn das würde mindestens ein Monat länger Quarantäne bedeuten. Vor allem deshalb, weil nun schon einige Zusagen für Heimflüge haben, machen wir uns große Sorgen.
27. März
Wir hören, dass die Polizei nun immer mehr Touristen auf den Straßen anhält, diese fotografiert und filmt.
28. März
Wir erfahren, dass der Test des Spaniers in unserem Hotel negativ ist. Die Freude und Erleichterung ist groß. Die beiden Engländer verlassen das Hotel. Wir erfahren früh Morgens von Leopold Unger, österreichischer Botschafter in Lima, dass es eine Transportmöglichkeit von Cusco nach Lima gäbe. Wir könnten mit einem Schweizer Buskonvoi mitfahren. Wer sich zuerst meldet bekommt einen Platz. Wir haben sofort geantwortet und später erfahren, dass wir einen Platz haben. Auf die Frage nach weiteren Informationen wurden wir auf morgen vertröstet.
Negative signs for a negative test result
29. März
Die Australierin und ihr amerikanischer Ehemann fliegen nach Sydney. Zwei Amerikaner verlassen ebenfalls das Hotel.
Quarantäne mit Joel
Joel hieß der Manager unseres Hotels. Er ist wohl einer der liebsten und engagiertesten Menschen, die wir je kennenlernen durften. Wir hatten wirklich großes Glück bei ihm und seiner Crew gelandet zu sein. Alle haben sich so unglaublich bemüht, um uns die Situation so angenehm wie möglich zu gestalten. Neben der Küche wurde uns auch ein Fernseher mit Playstation und ein Wuzzler besorgt. Einen großen Beitrag dazu, dass wir uns so wohl gefühlt haben, hatten natürlich auch unsere MitbewohnerInnen. Ein so bunter Strauß an Menschen, die sich so wunderbar ergänzt haben. Trotz der Freude endlich nach Hause zu kommen, war es traurig sich verabschieden zu müssen. Aber es heißt ja, man sieht sich immer zweimal im Leben... hoffentlich.
Unser „Gefängnis“ in Cusco
Die Reise ist noch lange nicht vorbei
Die richtige Odyssee beginnt eigentlich erst jetzt. Wer unsere Reise auf Instagram verfolgt, der weiß schon, dass es auch das letzte Stück unseres Weges noch in sich hatte. Dazu aber mehr in unserem nächsten Blogbeitrag.